“ChatGPT hat’s mir bestätigt: ER ist das Problem.”

Hand aufs Herz: Hast du ChatGPT schon mal um Beziehungsrat gefragt? 🤔

In einer Sitzung habe ich neulich erlebt, wie viel Macht manche Menschen der KI geben, um persönliche Probleme zu lösen.

Eine Klientin hatte seit einem Jahr eine Beziehung zu einem gleichaltrigen Mann und kam nicht mehr weiter. Es gab laut ihrer Aussage ein immer gleiches Muster: Ihr Freund forderte etwas, sie bemühte sich, es zu erfüllen, er war unzufrieden, stellte neue Forderungen.

Dieses „Spielchen“ habe schon häufiger bei Klient:innen beobachtet: In Liebesbeziehungen versuchen zwei emotional verletzte Menschen, erwachsen miteinander umzugehen. Das gelingt aber durch unbewusste Muster, hinderliche Glaubenssätze und/oder unterdrückte Bedürfnisse nicht.

Und weil einer der menschlichen Biases die „Überlegenheitsillusion“ ist, die uns glauben lässt, wir seien besser als andere, war auch meine Klientin überzeugt: Ihr Freund hatte ein Problem. Sie musste nur auf die richtige Idee kommen, um ihm zu helfen. (Ein Helfersyndrom ist nebenbei bemerkt auch ein gängiger Versuch der menschlichen Psyche, sich aufzuwerten.)

Eines Tages kam sie auf die Idee, ChatGPT den WhatsApp-Verlauf eines Streits zu schicken. Die Antwort goss Öl ins Feuer ihrer Überzeugung: Der Freund argumentiere weder sachlich noch konstruktiv. Sie hingegen, schrieb die KI, habe sich deutlich ausgedrückt und wirke reflektiert.

Meine Klientin fühlte sich in ihrem Handeln bestätigt. Der Haken: Was die Entschärfung der Beziehungsminenfelder anging, war sie kein Stück weitergekommen. Stattdessen fühlte sie sich im Recht und schob dem Freund noch mehr Schuld in die Schuhe.

Jetzt rate mal, was am Ende passiert ist.

Sie hat Schluss gemacht, weil „der Typ echt krank ist und total unreif für sein Alter“ und leckt sich nun die Wunden des Missverstanden seins. Es war übrigens ihre 5. Beziehung in ähnlichem Muster, die in die Brüche ging. Mit meiner Hilfe wollte sie nun endlich herausfinden, warum sie sich „immer die falschen Kerle suchte“.

Warum schreibe ich darüber?

Weil mein Bauch zuckt, wenn ich höre, dass Menschen sich in Krisen von KI beraten lassen.

Versteh mich nicht falsch: KI-Tools können hilfreich sein, etwa als niedrigschwelliger Zugang zu psychologischen Konzepten. Ich sie selbst gerne, um meine Texte zu challengen oder für eine erste Einordnung zu bestimmten Themen.

Aber sie ersetzen weder eine professionelle Begleitung noch die heilsame Kraft echter menschlicher Verbindung.

Mich beunruhigt, wenn wir Algorithmen mit Freunden und digitale Höflichkeit mit Zuneigung verwechseln. Wenn wir mit einer Maschine unsere Ängste und Zweifel teilen – ohne zu wissen, wie diese Daten verwendet werden.

Und nicht zuletzt, weil wir glauben, unser Gesicht wahren zu können, wenn wir unsere emotionalen Abgründe mit einer KI teilen und dadurch auf echte Nähe, Verbindung und Vertrauen verzichten. Und auf Heilung.

Meine Frage an dich: Wo ziehst du die Grenze? Wann ist KI hilfreich und wann wird sie gefährlich?

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